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Interview Offener Ganztag

Lange Wartelisten

[Jul. 2016] - „Mal eben was mit ein paar Kindern machen“, hieß es anfangs. Aus den „paar Kindern“ sind inzwischen über 280 geworden. An drei Grundschulen im westfälischen Lünen kümmern sich knapp 30 Mitarbeiter um die Kinder. Margret Banken-Konrad über den Offenen Ganztag, der von der Bildungspolitik gern übersehen wird.

Lächelnde Frau mit brauen Haaren, in denen eine Sonnenbrille steht, die eine Perlenkette und ein rötliches Hemd trägt. Sie steht bei sonnigem Wetter auf einem Schulhof.Margret Banken-Konrad leitet an drei Schulen die offenen Ganztagsangebote des Caritasverbandes in Lünen.Andre Zelck

Caritas in NRW: Was muss die offene Ganztagsschule (OGS) in der Trägerschaft des Caritasverbandes an den drei Schulen in Lünen leisten?

Margret Banken-Konrad: Wir betreuen die Kinder außerhalb des Unterrichts zwischen 10:45 und 16:00 Uhr. Wir haben dafür zu sorgen, dass sie ein ausgewogenes Mittagessen erhalten, begleiten sie bei den Hausaufgaben und sind natürlich auch Bildungsträger mit einem sehr breit gefächerten Angebot.

Caritas in NRW: Wie ist der Bedarf?

Margret Banken-Konrad: An unseren Schulen haben wir Wartelisten mit über 40Kindern. Der überwiegende Teil der Elternschaft hier ist berufstätig, aber wir behalten uns natürlich vor, auch aus anderen sozialen Gründen Kinder aufzunehmen. Dieses OGS-Gebäude hier an der Kardinal-von-Galen-Schule ist 2008 für 75 Kinder geplant worden. Heute bräuchten wir wesentlich mehr Räume für inzwischen 108 Kinder.

Caritas in NRW: Gibt es auch einen sozialen Bedarf, der über Betreuung hinausgeht?

Margret Banken-Konrad: Das ist je nach Standort unterschiedlich. Wir müssen uns vor allem einrichten auf Kinder, die im sozialen oder emotionalen Bereich Förderung benötigen. Das können z. B. verhaltensoriginelle Kinder, Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, Kinder aus benachteiligten Familien oder Kinder mit Migrationshintergrund sein. Alles Kinder, die eine besondere pädagogische Aufmerksamkeit brauchen. Gerne würden wir noch mehr Kinder aufnehmen, doch leider gibt der Personalschlüssel das nicht her. Inklusion braucht auch in der OGS eine bessere Personalausstattung und finanzielle Unterstützung.

Caritas in NRW: Wie agieren Sie bei familiären Problemen, die der Schule auffallen?

Margret Banken-Konrad: Wir haben einmal die Woche Fallbesprechungen mit der Schulleitung. Wenn ein Klassenlehrer bei einem Kind häusliche Probleme vermutet, gibt es ein gemeinsames Elterngespräch, in dem die offene Ganztagsschule einen Platz und auch weitere Unterstützung anbietet. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass die Eltern das Angebot fast zu hundert Prozent annehmen. Auch wenn wir eigentlich keinen freien Platz haben, sind wir im absoluten Notfall offen. Wir suchen gemeinsam mit den Familien nach Lösungsmöglichkeiten und unterstützenden Hilfen.

Caritas in NRW: Was findet das Kind hier?

Margret Banken-Konrad: Eine verlässliche Tagesstruktur. Dazu gehören regelmäßige Mahlzeiten, ein individuelles Hausaufgabenkonzept und vielfältige Fördermaßnahmen. Wenn wir jetzt nicht mit diesen Kindern arbeiten, wer tut es dann? Wir vermitteln den Eltern auch Kontakte zu Beratungsstellen des Caritasverbandes, helfen auch bei den Terminvereinbarungen…

Einige Schüler/innen einer OGS des Caritasverbandes Lünen sitzen an Tischen in einer Katine. Eine Frau steht vor einer Küche und signalisiert mit Gesten, dass die Kindern zur Ruhe kommen sollen. Andre Zelck

Caritas in NRW: Das geht kaum ohne pädagogische Vorkenntnisse?

Margret Banken-Konrad: Pro Gruppe mit 25 Kindern haben wir eine ausgebildete Erzieher-Kraft als Leitung - unter diesem Ausbildungsniveau stellen wir dafür nicht ein. Dazu eine 450-Euro-Kraft mit rund zwölf Stunden in der Woche und diverse Honorarkräfte. Das sind Kinderpfleger, auch Lehramtsstudenten aus höheren Semestern, dazu kommen sogar Ehrenamtliche. Das ist eine Besonderheit hier in Lünen, weil ich aus der Ehrenamtsarbeit komme, für die ich mich immer noch sehr engagiere.

Für junge Fachkräfte nach der Ausbildung ist der offene Ganztag leider absolut uninteressant, weil er gar keine vollen Stellen bietet. Es gibt maximal ein Stundenkontingent von 20 bis 25 Stunden. Das ist natürlich für junge Menschen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, völlig uninteressant. Die wollen eine volle Stelle, eine eigene Wohnung. Hier verschärft sich der Fachkräftemangel für uns.

Caritas in NRW: Wie ist das Verhältnis zur Schule?

Margret Banken-Konrad: Früher waren nicht nur manche Eltern, sondern auch viele Lehrerkollegen sehr misstrauisch. Die Schule verstand die OGS als Eingreifen in ihr Hoheitsgebiet und begriff nicht gleich, dass man eigentlich in interdisziplinären Teams am effektivsten arbeitet. Heute ist das kein Thema mehr.

Wir arbeiten wirklich auf Augenhöhe. Die Meinung des OGS-Teams ist im Lehrerkollegium sehr geschätzt. Die Blickwinkel unterschiedlicher Professionen sind unglaublich wertvoll. Und so ist es vielerorts längst gelungen, die offene Ganztagsschule zu einer Bereicherung in der Schul- und Bildungslandschaft für Eltern, Lehrer und Kinder werden zu lassen.

Die Fragen stellte Markus Lahrmann.



Weitere Beiträge zum Thema "Kinder und Jugendliche" finden Sie in unserem Themendossier.

Autor/in:

  • Markus Lahrmann
  • Margret Banken-Konrad
Quelle: caritas-nrw.de
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