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Kommentar Jugendgewalt

Bestärken schützt!

[Jul. 2013] - Nicht harte Strafen, sondern die Befassung mit den Ursachen von Jugendgewalt sind nötig. Aber dagegen herrschen Hilf- und Ideenlosigkeit sowie ein politischer Widerwille.

Lächelnder Mann mit braunen Haaren und Brille, der ein weißes Hemd, eine gestreifte Krawatte und eine schwarze Anzugjacke trägtDr. Frank Johannes Hensel

An einem Münchner S-Bahnhof prügelten zwei Jugendliche 2009 den Geschäftsmann Dominik Brunner zu Tode. Brunner hatte sich zuvor schützend vor andere Jugendliche gestellt. Auf dem Berliner Alexanderplatz schlugen im Oktober vergangenen Jahres sechs junge Männer den 20-jährigen Jonny K. so brutal zusammen, dass er einen Tag später starb. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Schläger begann Mitte Mai in Berlin.

Bestürzt reagieren wir auf diese und andere Gewalttaten junger Menschen. Und nicht selten weicht gerade unter Politikerinnen und Politikern das Entsetzen nach einigen Tagen einem altbekannten Reflex. Es werden Stimmen laut, die härtere Strafen für Jugendliche, mehr Überwachungskameras oder die Kürzung des Kindergeldes für die Eltern fordern, deren Kinder die Schule schwänzen.

All diese Vorschläge zeugen von einer Hilf- und Ideen­losigkeit im Umgang mit jugendlichen Straftätern. Zudem besteht politischer Widerwillen, sich ernsthaft mit den Ursachen von Jugendgewalt zu befassen. Genauso wenig wie eine Überwachungskamera Gewalt verhindert (sondern sie allenfalls verlagert), sorgt der Entzug von Kindergeld automatisch dafür, dass Kinder wieder zur Schule gehen und damit von Gewalttaten abgehalten werden. Im Gegenteil: Fehlt Eltern plötzlich eine wichtige finanzielle Unterstützung, verstärkt dieser Umstand eine soziale Schieflage womöglich erst noch. Zudem trifft diese Sanktion die Eltern, aber unterstützt nicht das Kind.

Zu den Hauptursachen für aggressives Verhalten unter Jugendlichen, darauf hat der Bremer Soziologe und Gewaltforscher Gunnar Heinsohn hingewiesen, gehören miserable Lebensbedingungen im Kindesalter: Armut, familiäre Erschütterungen, psychische Probleme der Eltern. Wer aus belasteten Familien kommt und womöglich selbst Gewalt erfahren hat, neigt eher zur Gewalt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Familien einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Die soziale Situation ist entscheidend, nicht die Herkunft.

Wer Jugendgewalt verhindern will, muss präventiv arbeiten und die Lebensbedingungen ändern. Kinder und Familien müssen bestärkt werden, sie sollten zur Teilhabe an der Gesellschaft ausgebildet statt von ihr ausgegrenzt werden.

Wie kann das gelingen? Die Caritas hat vor Jahren das Projekt "Stark ohne Gewalt" mit ins Leben gerufen. Hier können Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien lernen, sich ohne Gewalt zu behaupten. Nur dank ihrer Fähigkeiten und Talente. Indem die Schüler gemeinsam ein Musical proben und aufführen, entdecken sie nicht nur oft ungeahnte Begabungen an sich, sie entwickeln auch Werthaltungen und Strategien, die sie buchstäblich stark machen fürs Leben.

Deutlich früher setzt das Netzwerk Frühe Hilfen an, eine Bundesinitiative, die von der Caritas maßgeblich unterstützt wird. Die Frühen Hilfen sind ein Begleitangebot für Kinder in den ersten Lebensjahren und deren Eltern, das ganz praktisch hilft - etwa durch Hausbesuche, mit Antworten auf Erziehungsfragen, durch Tipps und Informationen. Ziel ist es, Eltern zu befähigen, selbst ausreichend für ihre Kinder zu sorgen. Denn Verwahrlosung und ein Abdriften in Gewalt erwachsen häufig aus einem Gefühl der Überforderung. Aktuelle Kinder- und Jugendstudien weisen aus, dass 20 Prozent aller Familien unter erheblichen Belastungen bei der Erziehung der Kinder und dem Zusammenleben als Familie leiden.

Frühe Hilfen, "Stark ohne Gewalt" - nur zwei Bausteine von vielen, die wirksam dazu beitragen, dass Familien gestärkt und stabilisiert werden und sich Frustration bei Jugendlichen später nicht in Gewalt entlädt.

Autor/in:

  • Dr. Frank Johannes Hensel
Quelle: caritas-nrw.de
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